Dies ist ein einsam dastehendes Werk, das ich schrieb mit 24, auf einer Reise nach Marokko, Friedrich Nietzsche im Gepäck nebst Papier und Bleistiften. Damals wurde mir zum ersten Mal der Unterschied klar zwischen dem „kleinen ich“, das an die Person gebunden ist, und dem „Grossen ICH“, das Alles in Allem umfaßt. Erst mit 42 begann ich dann wieder zu schreiben.

 

Leseprobe:

 

    Ich könnte hier behaupten, und niemand hinderte mich daran, daß dieses kompakte, klumpige Ding, das sich noch bei den letzten Explosionen, Auseinander-Zerreißungen, zusammenhält und einen Kern bildet, der es gegen Alles noch irgendwie abschirmt, daß dieses Ich sich des nachts als Ding, als Einheit aufgibt, sich verströmt, und daß darin die große Bedeutung des Schlafs liegt. Und als Grundbedürftigkeit und Artkennzeichen ist der Schlaf-Wach-Rhythmus mindestens so wichtig wie die Mutterabkunft. Daß man deshalb also auch nur sagen kann: Ich bin bei mir aller Tage bis an meines Lebens Ende - aber nicht: aller Nächte. Und ich könnte weiter sagen, auf die Frage, wohin verströmt es sich da, was geschieht ihm dabei? es nähert sich ihm von der anderen Seite das "Gesamt-Ich", das zukünftige Ich, das alle Welten umfaßt, dahinein entlädt sich das jetzige, das abgegrenzte und füllt mit ihm all seine Poren, so weit es kann, und schöpft daraus seine Kraft. Denn der Schlaf ist eine Kraftquelle, das steht außer Frage, wie die Nahrung, aber womit im Schlaf ein Stoffwechsel stattfindet, das ist bis zu dieser meiner Behauptung noch gänzlich ungeklärt. Und diese selbst ist nur ein schwach erahntes Gleichnis, weil "Ich" nicht weit genug dahineindringen kann, eben weil "Ich" mich ja darin auflöse.

 

    Die Tiere sind uns darin voraus, daß sie sich ganz darstellen können, so wie sie sind, in jeder Gebärde drücken sie sich ganz aus, sind ganz darin enthalten; sie kratzen sich, käuen wieder etcetera und blicken dich dabei ganz seelenruhig an. Wenn du das wieder kannst, in jeder deiner Entäußerungen, bist du Gott, sonst aber Mensch, zerspalten in die Gewissens-Ängste und Brechungen in jeder deiner Gebärden.

     Und daß der Mensch sich für etwas Besonderes hält unter den Lebewesen der "Schöpfung", dieser sein Anthropozentrismus in allen Gestalten, rührt von seinem Unvermögen her, ist Imponiergehabe, mit welchem er seine Unsicherheit überspielt, weil er sich nicht ausdrücken kann.

 

    In den künftigen Schulen müßte der Unterricht der Geschichte der Mittel- und Kristallisationspunkt der Ausbildung sein, aber nicht so wie wir ihn kennen, als leib- und kraft- und bewußtloses Wiederkäuen von Isoliertem, von unerlebten Fakten; sondern der Unterrichtete müßte in die Lage versetzt sein, leibhaftig sich in die verschiednen Epochen und Kulturkreise hinein zu versetzen und darin zu leben, in diesen Grüften der Entfaltung; die Schüler müßten sich vollsaugen können mit dem Gewordenen, das Ganze wäre durch Meditations- und Trancetechniken zu vertiefen, um sich auszudehnen darin und all ihre Wesen umfassen zu können.

 

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Hier handelt sich um Aufzeichnungen meiner Träume vom Ende der Achtziger Jahre, meinen Beitrag zum Golfkrieg von 1991 und einem Gedankenaustausch mit einem gewesenen Freund

 

Leseprobe:

 

    In der Praxis. Viele bunte Leute, die ein Fest feiern wollen, zu dem auch ich geladen bin. Ich muß nur noch mit ein paar Patienten fertig werden, dann hätte ich auch Zeit für diese vielversprechende Feier. Die Leute sehen anfangs ganz sympathisch aus, meist jung und alternativ. Dann aber entfaltet sich eine eigene Dynamik, und das Fest beginnt, ohne daß ich meine Arbeit beenden kann, alle Räume werden überflutet, es ist ein Wogen und Treiben von Menschenleibern, das Wartezimmer allein noch ausgenommen. Plötzlich sind auch die Patientenkarten verschwunden, es wären noch vier bis fünf Patienten gewesen, darunter drei neue. Die Bewegung der Bunten wird immer entfesselter, sie reagieren auf meine Vorhaltungen nicht mehr, sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um mich und meine Patienten. In steigender Wut frage ich eine Helferin, Fräulein E., nach den Karteikarten, immer noch zorniger werdend wegen ihrer Hilflosigkeit. Einen der Chaoten, den ich für einen Anführer halte, nehme ich mir dann persönlich vor, er verspottet mich nur, indem er höhnisch lächelnd auf das chaotische Treiben und meine Ohnmacht verweist.

    Eingeblendet wird jetzt eine Szene aus Indien: Holzhäuser auf Palisaden, vom Regen aufgewühlter Morast, halbnackte Menschen im Monsun hin und her eilend, in Armut und Wollust dem Regen und dem Schlamm preisgegeben. Dann erscheint plötzlich auf einer Art Leinwand eine weitere Szene mit dem Titel: Der Tod des Großen Guru XX. Zum Gedächtnis an sein erhabenes Sterben. Viele tanzende und lachende Menschen sieht man in Ekstase vor der Begegnung mit ihrem großen Meister Baghwan kollektiv wogen, von einer Bewegung erfaßt, und dann kommt vorne unten der völlig abgemagerte und ausgezehrte, gänzlich kachektische Guru ins Bild, wie er in Embryohaltung am Boden verkrümmt sich anschickt zu sterben, und dies alles wird von einer Filmkamera zur Schaulust und zum Ergötzen späterer Jünger auf Zelluloid festgehalten, damit alle sehen, wie er dort erbärmlich und einsam inmitten der Menge seiner Anhänger auf der Erde verreckt. Da rauscht donnernder tosender Beifall über die ganze Szene dahin, als habe der Meister im Sterben gerade einen besonders gelungenen Gag dargeboten, und wirklich: dieses jämmerlich verhungernde Menschlein in dem indischen Fetzen lächelt verzückt ob des Beifalls wie eine alternde Diwa, der ein paar übrig gebliebene Fans aus Mitleid das Gefühl der Erwähltheit verschaffen, so strahlt nun auch dieser Guru, in dem ich nun unweigerlich mich selbst erkennen muß, mit seinen dritten Zähnen über das ganze Gesicht. Ende des Filmes.

    Wieder in der Praxis erkenne ich die völlige Unmöglichkeit und Aussichtslosigkeit, irgendetwas gegen diese Chaoten zu unternehmen, mir bleibt nichts mehr übrig, als das Feld zu räumen, zum Mitfeiern ist mir jede Lust längst vergangen. Ich hebe mich davon, draußen auf der Straße meine Situation überdenkend, und mir wird klar, daß ich nun realistischerweise in dieser Stadt unmöglich geworden bin, daß ich nun hier nichts mehr verloren habe, daß ich nur meine Schulden mitnehmen konnte und versuchen mußte, sie aus einer anderen Stadt, wo man mich nicht kennt, neu anfangend abzubezahlen. In diesen Überlegungen war ich am Bahnhof angekommen, dort der übliche Anfang des Tages und Auf- und Abbruch von Mensch und Verhältnis. Als ich schließlich so weit war, einzusehen, daß ich hier nichts mehr zu verlieren hatte, weil alles bereits verloren war, wollte ich vor meiner Abreise doch noch mal sehen, was sie aus meiner Praxis gemacht hatten, und, ich gebe es zu, auch Neugierde war dabei, mitzuerleben, wie weit sie ihr Chaos treiben würden und was das Ende von diesem Lied sei. Ich kehrte also zurück.

     Dort war noch alles im Gange, aber als ich kam eher etwas ruhiger als erwartet. Bei dieser Gelegenheit entdeckte ich einen Raum, den ich zuvor niemals gesehen hatte und der mich anzog, weil er fast menschenleer war. Es war eine Art Maschinenraum wie im Bauch eines Dampfschiffs. Ich ging hinein, gefolgt von einem Anführer der Chaoten - war es derselbe, mit dem ich vorher die Auseinandersetzung hatte? - dessen Art, mich zu verfolgen, mir schon etwas verdächtig erschien. Größer als mein Mißtrauen war aber die Neugier auf einen weiteren unbekannten noch hinter dem ersten gelegenen Raum, den ich im selben Augenblick wahrnahm und seltsam erregt betrat. Er war gänzlich leer wie eine Ausnüchterungszelle oder die eines selbstmord-gefährdeten Häftlings, der unter Beobachtung steht. Zu spät merkte ich, daß ich in der Falle war, denn der Typ hatte den einzigen Ausgang, durch den ich herein gekommen war, zufallen lassen und grinste mich höhnisch an, im Bewußtsein, daß er mich nun in seiner Macht hatte. Übel grinsend wies er mich auf ein Loch im Boden der Zelle, das aussah wie eine große Kloake, und erklärte mir hämisch, daß ich nun ja meiner Liebsten folgen könnte durch dieses Loch in den Abgrund. Und wirklich - ein junges Mädchen, das ich vorher garnicht gesehen hatte, ließ sich voll Todesmut in dieses Loch gleiten und verschwand. Mir blieb kein anderer Weg als der in den Untergang, und ich stürzte ihr nach, ein Fall in den Abgrund, da war kein Halten, nur Dunkel. Und doch gab es ein Aufkommen auf federndem Grund. Auf einer Leinwand sah ich dort Mitglieder der High Society parlieren in glitzernder und erstohlener Pracht, das war eindrucksvoll, aber schwarz-weiß. Hinter dieser Leinwand jedoch gab es wirkliche leibhaftige Menschen, und ich war plötzlich unter lauter Marktfrauen und Bürgern auf dem Marktplatz einer mittelalterlichen Stadt, wo es heiß herging im Gespräch über das Schicksal eines Fürsten, der ein Mädchen aus niedrigem Stand genommen hatte. Daß er sie wieder verstoßen würde, daß sonstwas passieren würde, daß es nie gut gehen könnte, waren die vorherrschenden Meinungen über den Ausgang dieser Geschichte, bis eine fromme runde Marktfrau ihren Standpunkt entschieden vorbrachte: "Er wird sie wirklich lieben, denn er stammt aus dem Mühlenviertel."

 

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Das sind freie und doch getreue Nachdichtungen biblischer Verse, die etwas von der Wortfülle vermitteln, die im Original lebt und von dionysischer Qualität ist. Hier wurde mir bewußt, was Hölderlin mit den Worten gesagt hat: „Und kühn bekenn ich´s, Du bist Bruder des Ewiers auch“. Ewier ist ein anderer Name für Dionysos und mit dem Du ist Christus gemeint. Und von hier aus habe ich auch meine Kühnheit geschöpft.

 

Leseprobe:

 

Das aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat,

Geschickt und geleitend, begleitend mich freiläßt,

Daß ich alles, was er mir gab,

Nicht verdürbe, verlöre, zerstörte

Und nicht unglücklich machte, vertäte,

Sondern aufrichte, erhebe, auferbaue, erwecke,

Aufmuntere und genesen es lasse, es selbst

Dem äußersten Tag, dem höchsten und tiefsten,

Dem größten und ärgsten, dem ersten und letzten,

Dem besten und schlechtesten Tag.

Denn das ist der Wille

Meines Vaters, sein Wunsch, seine Lust, sein Gefallen,

Daß jeder sehend den Sohn, wahrnehmend ihn,

Schauend erkennend auch ihm vertraue, auf ihn baue

Und in ihn hinein bleibende Festigkeit setze,

Damit also ganz, wer so ihn erlebt und versteht

Ihm auch vertraue und ewiges Leben habe in sich,

Imstande sei, immer lebendig

Und gegenwärtig zu empfinden die Zeit

Und der Ewigkeit Welten

Zu fühlen, zu sehen, zu hören, zu riechen,

Zu schmecken, zu tasten als lebendiges Wesen,

Und schützend bewahre, um zu verstehen, das Leben,

Wissend erhöre, gehorchend vernehme

Jetzt und immer wie es war im Beginn

Und wie es sein wird im Ende,

Und seinen Geist hinrichte aufmerksam

Auf der Zeitalter Kraft,

Und ich ihn erwecke als Ich-Selbst

Dem jüngsten, dem kommenden Tag

Und dem Ende der Zeit.

 

 

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Dies ist mein Erstling (nach dem „Frühwerk“ und „Marokko“), dem ich mein bis dahin geführtes Leben zum Opfer brachte, und alles Folgende hat sich aus ihm ergeben. Zum ersten Mal erlaubte ich mir, in der „Heiligen Schrift“ als einer einzigen Ganzheit zu lesen, und der Entdeckungen sind wahrlich viele.

 

Leseprobe:

 

    Wir wollen zum Schluß dieser Betrachtung noch sehen, wie denn die Heilung der zwölf Jahre blutenden Frau und die Auferweckung der zwölfjährigen Tochter des Jairus gelang. Und wir hören: Kai idu Gynä haimorrhusa dodeka Etä proselthon opisthen häpsato tu Kraspedu tu Himatiu autu, elegen gar en heautä ean monon hapsomai tu Himatiu autu sothäsomai - "Und siehe ein Weib zwölf Jahre blutend näherte sich von hinten und ergriff die Quaste seines Gewandes, denn sie sprach zu sich selber: wenn ich nur anfasse sein Gewand, so bin ich gerettet" (Matth. 9,20-21). Und bei Lukas: Kai Gynä usa en Rhyseji Haimatos Eton dodeka, hätis Iatrois prosanalosasa holon ton Bion uk is´chyen ap´ udenos therapeuthänai, proselthusa opisthen häpsato tu Kraspedu tu Himatiu autu kai parachräma hestä hä Rhysis tu Haimatos autäs - "Und ein Weib, die zwölf Jahre im Fießen des Blutes war und die ihr ganzes Leben an die Ärzte verschwendet hatte, von denen sie keiner heilen konnte, kam von hinten heran und ergriff die Quaste seines Gewandes, und sogleich kam ihr Blutfluß zum Stillstand" (8,43-44). Hier ist beidesmal die sogenannte "Quaste" erwähnt, Kraspedon, was im Griechischen auch der "Rand" und der "Saum" ist eines Kleides. Und wir könnten getrost darüber hinweggehen, wenn es mit diesem "Zipfel", wie wir auch sagen können, eine ganz besondere Bewandtnis nicht hätte.

    In Num. 15,37-38 wird uns gesagt: Wajomär Jehowuah äl Moschäh lemor/ Daber äl Bneji Issrael we´amartha alehäm we´ossu lahäm Zizith al Kanfeji Wigdejihäm leDorotham wenathnu al Zizith haKanaf Pethil thecheläth - "Und es sprach das Wesen des Seins zu Moschäh, um zu sprechen: Rede zu den Söhnen von Issrael und sage zu ihnen, und sie sollen sich Quasten auf die Säume ihrer Gewänder machen für ihre Generationen, und sie sollen auf die Quaste des Saumes einen purpurblauen Faden anbringen". Was sich hier in einer "Kleider-Vorschrift" verbirgt hat es in sich: Zizith (90-10-90-400) kommt von Ziz (90-10-90), das ist das "Diadem" oder die "Blume" - und im Deutschen ist die Blume und die Blüte mit dem Geblüt und dem Blute verwandt, von daher kann man auch die Vulva als Blut-Blume sehen. Und Kanaf (20-50-80), das "Ende" oder der "Rand" und der "Saum", ist im Hebräischen auch der "Flügel", zugrunde liegt Nof (50-6-80), das "Schwingen", die "Schwingung" - und Nof ist auch die "Landschaft". Wenn du dich wandernd durch eine Landschaft bewegst, merkst du warum, und der Saum deines Gewandes, das ja auch immer ein Gleichnis ist für den Leib, dessen Unterstes also schwingt beflügelt mit im Rhythmus des Schreitens.

    Bägäd (2-3-4), das Kleid, kann jedoch auch Bogad gelesen werden, das heißt "Treulos- und Abtrünnig-Werden, Verraten", und auch beGad, "im Glück". Wenn wir im Glück sind, dann neigen wir dazu, abtrünnig zu werden und das Wesen des Seins zu verraten, indem wir uns zu sehr mit dem Kleid identifizieren. Aber dieses Kleid, dieser Leib, muß einmal abgelegt werden, das ist die Entkleidung, und nur wenn wir wirklich ganz und gar nackt sind (und das nicht nur im leiblichen Sinne, denn wir vermögen uns sogar als Nackte Affen noch geschickt zu verstellen), kann das Liebes-Glück so erlebt werden, daß es nicht zum Verrat am Sein des Anderen und am eigenen wird.

    Pathil (80-400-10-30), der "Faden" oder die "Schnur", kommt von Pathal (80-400-30), das heißt "Drehen, Winden" und auch "Ringen" und "Kämpfen". Wie ein Faden mit vielen anderen durch Drehung hinein verflochten wird in die Schnur, in den Strick, in das Seil, so sind die Generationen ineinander verflochten, und das ganze Menschengeschlecht gleicht einem unzerreißbaren Seil. Die Liebesakte bestehen gleichfalls aus Windungen und sind wie ein Ringen der liebenden Feinde - beChawli Adam ämschechäm ba´Awothoth Ahawah - "In der Schlinge des Menschen zieh ich sie an, in den Seilen der Liebe" (Hos. 11,4). Thecholäth (400-20-30-400), "Purpurblau", hat die Wurzel Kol (20-30), das ist "Alles", das "Ganze", die "Gesamtheit" und "Jeder". Und von daher ist Thachlith (400-20-30-10-400) das "Äußerste" und das "Letzte", der "Zweck" und das "Ziel", die "Ganzwerdung", die "Vollendung" und die "Vollkommenheit"...

 

 

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