Was hier vorgelegt wird ist eine sensationell neue und radikale Deutung der „conditio humana“, die gerade noch rechtzeitig erscheint und von der wir wie nebenbei lernen können, wie gut es uns tut, immer wieder vor dem Nichts zu stehen zu kommen und dabei nicht stehen zu bleiben.
Als Leseprobe dienen die einleitenden Sätze: „Nun da mein Geschlechtstrieb erlischt und ich langsam erblinde, nun da ich mich eins ums andere Mal selbst überlebe und mein Tod mir freundlich lächelnd zuwinkt, fühle ich mich nüchtern genug, einen neuen bzw, erneuerten Mythos in die Debatte zu werfen. Auf die Frage, woher ich das Recht dazu nehme, mir ein solches Unterfangen anzumaßen, kann ich nur auf den Umstand verweisen, dass ich eine der miserabelsten Kreaturen bin, die jemals die Gestalt von Menschen annahmen. Beheimatet in dem Niemandsland zwischen den Grenzen trete ich mein Werk als skeptischer Mystiker an, was so zu verstehen ist: Ich bezweifle alles, was mir irgend jemand einreden will und was meiner Erfahrung nicht zugänglich ist; doch zu meinem Erfahrungsbereich gehören nicht nur die der Vernunft einleuchtenden und die von den Sinnen erfassbaren Dinge, sondern auch alle Einfälle, Ahnungen, Eindrücke, Gesichte und Träume inklusive der Alp- und Horrorvisionen, die mir insofern sie eine Wirkung auf mich ausüben als Wirklichkeit gelten.
Für einen neuen Mythos ist es auch unabhängig von mir höchste Zeit, da die alten Göttergeschichten zwar sehr amüsant sind, aber die dringende Frage nach unserem Ursprung nicht wirklich beantworten können. Irgendein Chaosungeheuer, Weltenei oder Milchozean werden vorausgesetzt, wo sie aber herkamen bleibt ungesagt. Und was die scheinbare Antwort betrifft, die Welt und alles in ihr sei die Schöpfung eines Gottes, so muss sich doch jeder Nachdenkende fragen, woher dieser Gott kam. Wäre er ohne Anfang, so müssten wir uneingestandenermaßen zugeben, dass wir nicht wissen und nie wissen werden, wie und warum alles wurde – und dann wären mir die Agnostiker in ihrer trotzigen Ehrlichkeit lieber. Auf den „wissenschaftlichen“ Mythos vom Urknall muss ich keine Worte verschwenden, denn wer sich nicht fragt, warum es seinerzeit auf einmal geknallt haben sollte, der will garnichts wissen vom Ursprung. Das heisst aber in Wahrheit: er redet sich ein, diese Frage sei sinnlos, und damit verbannt er sein Kind in den Keller, den er dreimal zuriegelt, wonach er sich flüchtet in seine Dachstube, um die verzweifelten Schreie von ganz unten nicht hören zu müssen.“