Das Frühwerk

 

Hier sind meine ersten Schreibversuche versammelt, von Ende 13 bis Ende 20, und es ist erstaunlich, wie da schon sämtliche späteren Themen auftreten

 

Leseprobe:

 

IM WIRTSHAUS

(Oktober 64)

 

    Es regnete. In den feinen nassen Wassertropfen lag die Stadt, grau wie der eintönige Himmel. Ein einsamer Geiger schritt durch eine Straße. Er hatte seine Geige nicht bei sich, aber war er nicht auch so Geiger genug? In einer anderen Straße war ein Mädchen, das hatte blaue Augen und ein buntes Tuch um den Kopf geschlungen. So waren noch viele Menschen in den Straßen der Stadt, Eilende, Witwen und Waisen, aber noch mehr waren in den Häusern. Ich war im Wirtshaus "ZUM ESEL". Ich hörte, wie der dicke Wirt, sich vorsichtig umblickend, seiner häßlichen Frau ins rotgedunsene Ohr flüsterte: "Das Wetter ist schlecht, schlecht sind die Zeiten." Hatte der Eselswirt nicht recht? Es waren viele da, die tranken ihr Bier. Über einem der Tische hing ein Schild, altersgrau und verwischt an jenem Tag, doch die Buchstaben sprangen ins Auge: "TANZEN VERBOTEN!" Als mir der Wirt die bestellte ungarische Gulaschsuppe brachte, faßte ich ihn am Arm. "Herr Wirt, was hat es mit diesem Schilde auf sich? Ist nicht Ihre Gaststube viel zu eng für einen feurigen Walzer? Und sehen Sie sich doch um, wo wären denn die Tänzerinnen? Nur Arbeiter hocken hier herum. Ich bitte Sie." Der dicke Wirt hatte mir zugehört, still und ohne ein Zeichen der Beteiligung, ja sein Gesichtsausdruck schien zu verraten, daß er nicht einmal meine Worte erfaßt und ihren Sinn verstanden hatte. Sein Blick schweifte durch das nasse Fensterglas, hin zu der gurrenden Taube. Ich hatte längst geendet, als er noch in einer anderen Welt sich befand - auf die regennasse Straße, den grauen Himmel grau widerspiegelnde Straße war sein funkelndes Auge gerichtet. Tropfen trommelten gegen die Scheiben, Tropfen trommelten das Trommelfell. Sonst war es still. Selbst die Arbeiter, denen das Tanzen verboten war, schwiegen in diesem düsteren Augenblicke ganz still.

    Ich sah den Wirt an, blickte in seine Augen, die irgend etwas sahen, das mir verborgen war, eine Erinnerung wahrscheinlich, eine schöne Begebenheit, wie die erste Liebe oder die erste Tanzstunde vielleicht. Das Glitzern in den sonst glanzlosen Pupillen mochte vom Weihnachts-baum seiner Kindheit herrühren, von den strahlenden Kerzen, die da leuchteten. Dann öffnete sich die Tür, das schwere Schweigen war aufgehoben, mein Herz befreit von dem Geiger, den der Wind herein blies. Er war jung und schmalbrüstig...

 

 

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