Beim Entwurf für ein Wörterbuch des Alten Hebräisch, nach Wortwurzeln geordnet, bin ich bloß bis zum vierten Abschnitt der ersten Abteilung gekommen, denn da hat mich das Wort Jehudim („Juden“) so hingerissen, daß sich das Buch in eine Geschichte derselben verwandelt hat, von ihrem ersten Auftreten in der Bibel bis in unsere Zeit. Und das Erstaunliche dabei war, daß sie, diese Juden, mir den Roten Faden zur Verfügung stellten, mit Hilfe dessen ich mich in mehreren Anläufen in dem Labyrinth unserer eigenen Geschichte mit ihren vielen Fälschungen hindurch fand und dabei sehr fündig wurde. An den Entdeckungen möchte ich gerne auch andere teilnehmen lassen, in der Meinung, daß sie uns helfen können, zu verstehen was ablief und abläuft.

 

Leseprobe:

 

    Jehudith ist der Name einer Frau, die bei uns Judith genannt wird, und in der Zahl ist sie Vierhundert und Fünfunddreißig, genauso viel wie haNäfäsch (5-50-80-300), "die tierische Seele" mit dem Heh zu Beginn, dem bestimmten Artikel. Es ist dies also nicht die Näfäsch in ihrer Allgemein- und Unbestimmtheit, von der man sich diffuse Vorstellungen machen könnte, sondern in ihrer jeweils ganz genauen Stimmung oder Verstimmung. Das Buch "Judith" zählt zu den "Apokryfen", da es nicht in den Kanon der "Heiligen Schrift" aufgenommen wurde  - dabei hätte es darin besser bestanden als die Bücher Äsra und Nechämjah. Doch spielt das Motiv des Mannes, der durch eine Frau um seinen Kopf gebracht wird, im "Neuen Testament" wieder eine entscheidende Rolle, dort handelt es sich um Johannes den Täufer. Bei Jehudith wird er Holofernes genannt und als der oberste Feldherr des assyrischen Heeres vorgestellt, und ihn verführt sie mit faustdicken Lügen. Und mehr noch als später am Weine berauscht er sich an ihren betörenden Worten, wovon wir ein Beispiel hier geben: "Denn sowahr Nebukadnezar lebt, der König der ganzen Erde, und so wahr die Macht dessen gilt, der dich aussandte, um alle Welt zur Ordnung zu rufen! Du machst ihm nicht nur die Menschen untertan, sondern auch die wilden Tiere, das Vieh und die Vögel werden dank deiner Tapferkeit leben unter der Herrschaft von Nebukadnezar und seines Hauses ganz und gar" (Judith 11,7).

    Wir könnten auch sagen, sie hat die Wahrheit gesprochen, denn die Unmöglichkeit, daß der Mensch sämtliche Tiere beherrscht - all die "Mikroben"! - beweist, daß die Macht von Nebukadnezar in Wahrheit nichts gilt. Und sein Name steht im Buch Jehudith auch in einer für jeden Juden sofort erkennbaren Fehl-Stellung, denn er war nicht der König von Assyrien, sondern der König von Babylon. Im Jahr 723 vor Christus zerstören die Assyrer unter ihrem König Schalman´ässär das Nordreich Issrael und deportieren seine Bewohner in verschiedene Teile ihres Großreiches, um das entblößte "Samaria" mit einem Gemisch ebenso behandelter unterworfener Völker zu besiedeln. Aber schon gut einhundert Jahre danach werden alle assyrischen Städte zerstört, ihre Bewohner ausgerottet und ihr Land furchtbar verwüstet. Kyaxares von Medien und Nabopol´ässär von Babylonien hatten ein Bündnis geschlossen und Assyrien ausgelöscht vom Antlitz der Erde. Der Nachfolger von Nabopol´ässär war Newuchad´näzar, der im Jahr 586 vor Christus Jerusalem einnimmt und den Tempel zerstört und die Elite des Landes nach Babylon abführt. Und ganz Jehudah (Judäa) wird gedemütigt und unterworfen. Die Namen der weltlichen Herrscher sind also austauschbar, doch was konstant bleibt, ist der Angriff der "Welt" auf den (ächten) Juden und sein "Geständnis", auf den "Hebräer" in ihm, den "hinüber und vorüber gehenden" Menschen, der um diesen seinen Übergang weiß und ihn als die Verpflichtung versteht, das Alte und das Neue aneinander zu binden so wie Tiere und Engel, Diesseits und Jenseits.

    Wenn wir aber den "Feind" nicht mehr so sehr nur als aus dem Äußeren kommend empfinden, sondern ihn auch erkennen in unserem eigenen Inneren, dann ist die Verführung des Holofernes durch Judith, die ihm den Kopf kostet - zweimal schlägt sie mit ihrer ganzen Kraft und mit seinem eigenen Schwert auf seinen Nacken, um ihn vom Rumpf abzutrennen (13,8) - eine höchst anschauliche Tat. Und die Ironie der Geschichte enthüllt sich noch mehr, wenn wir hören, daß der Name Holofernes aus dem Griechischen stammt, nämlich von Holofernä, "Ganz-Mitgift" - und mit Fernä, der "Mitgift", ist die "Aussteuer der Braut" für ihre Ehe gemeint. Der ganze Mann also, der oberste Befehlshaber der Heerkraft des jeweils herrschenden "Kaisers", ist ihre "Mitgift" - und tatsächlich ist sie nur "mit Gift" in die Ehe gegangen (vergleiche die Geschichte von Dejanejra und Härakläs und dem Gifte des Nessos, die ich nacherzählte an anderer Stelle). Der Haß der als Braut verkleideten Judith ist aber so groß, daß sie nach der Enthauptung des Mannes (womit sie ihre "Aussteuer", die Zerspaltung der Frau in Hure und Gattin, wieder einfordert) noch seinen Rumpf von dem Lager herabwälzt und das Moskito-Netz aus Purpur und Gold, das ihn beschützte und in welches Smaragde und andere kostbare Steine eingewebt waren (10,21), von seinen Tragstangen reißt (13,9), damit sein toter Rumpf den Insekten ausgesetzt sei. Und die Blutsauger kommen noch nicht zu spät, denn sein Leib ist noch warm in dem Blutbad, und so erlebt er in seinem reflexartig zuckenden Rumpfe nach den Streichen der Judith, wie es ist, zu erlahmen und nicht nur selber das Blut der Völker und Wesen zu saugen, sondern selbst nun wehrlos und kopflos dem ausgeliefert zu sein. Und Judith geht mit seinem abgetrennten Haupte hinaus, wo ihre Dienerin harrt, die den Kopf in einen Sack steckt, und so verlassen die beiden das Heerlager des Feindes mit dem Kopf seines Führers - um zu beten, wie sie es die drei Tage vorher mit der Erlaubnis des Holofernes getan, aber nur um die Wachen zu täuschen und jetzt zu entkommen...

 

 

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